Nicht immer hat eine SySt®-Aufstellung eine*n Klient*in. Es kommt vor, dass eine bestimmte Gruppe, Anwält*innen, Gesangsverein o.ä., sich mittels einer Modell-Aufstellung Gedanken zu einer in ihrem Bereich wiederkehrenden Problemstellung macht. Es wird also das Thema einer Gruppe behandelt, um für Probleme einer bestimmten Art Lösungs-Ideen zu sammeln. Bei SySt® heißen diese Aufstellungen „Prototypische Aufstellungen“.
Für die Teilnehmer*innen unserer Aufstellungsabende, die aus ganz verschiedenen Kontexten kommen, haben wir die sogenannte Lern-Aufstellung (LEA) entwickelt.
In der LEA arbeiten wir an Themen, die für möglichst viele berührend und relevant sind.
Die LEA setzten wir zuletzt zur Erforschung des Phänomens Ärger ein.
Wir arbeiteten mit den bemerkenswerten Satz: „Ich ärgere mich!“ in einer Lernaufstellung, um hilfreiche Ideen für Situationen, in denen wir uns ärgern, zu gewinnen. Genau genommen besagt der Satz „Ich ärgere mich!“, dass ich mir selbst etwas Unerfreuliches antue.
In Form einer sogenannten sprachlichen Oberflächenstrukturaufstellung stellten wir den Satz auf:
- „Ich“ als Fokus,
- „ärgere“ als ehrenwertes Hindernis oder Schwelle,
- „mich“ als einen Anteil, der auf ein Bedürfnis hinweist und das
- Ausrufezeichen als Jolly Joker, wo sich ein weiteres Element zeigen kann.
Bei unserer Modellaufstellung meldeten sich die Repräsentant*innen selbst für ihre Rollen. Sie bekamen dann den Auftrag jeweils einen passenden Platz für sich in dem System einzunehmen.
Alles dreht sich um den Ärger
Eine Art Zerr-Tanz begann. Ein sich positionieren und wieder umstellen. Die Beobachter*innen bemerkten, dass irgendwie das Element Ärger im Zentrum zu sein schien. Das Sich Positionieren und neu Arrangieren der Elemente rangelte um den Mittelpunkt Ärger herum. Das System kam nicht zur Ruhe. Es sah anstrengend aus. Wir baten die Repräsentant*innen schließlich noch eine letzte Veränderung vorzunehmen und dann eine Position einzunehmen und zu bleiben.
Die Achse zum Ziel
Zwischen „Ich“ und „Ausrufezeichen“ gab es Blickkontakt und eine starke Achse. Die beiden konnten einander gut sehen. Das Ausrufezeichen zeigte sich wie eine Art Ziel.
Der Ärger stand ein wenig seitlich aus der Achse versetzt und war in Kontakt mit dem Element „Mich“. Beiden dem „Ärger“ und dem „Mich“ war eine gewisses Spannungsgefühl zu einander gewahr.
Das „Ich“ nahm auf das „Mich“ kaum Bezug war vor allem auf das Ausrufezeichen fokussiert.
Bei der ersten Befragung der Repräsentant*innen war schon einiges an Ärger aufgekommen.
Missverständnisse
Das Ausrufezeichen ärgerte sich über eine Geste des „mich“, es las darin Abwertung; während das „mich“ später aufklärte, dass es beim Ausrufezeichen Rückhalt erhofft hatte und das meinte die Geste.
Als das Ausrufezeichen so ärgerlich auf die Geste reagierte, resignierte auch das „Mich“.
Ärger um des Ärgerns willen
Das „Mich“, das wir ja als einen inneren Anteil des „Ich“ begreifen können, bemerkte, dass es den Eindruck habe, es sei eh alles egal, es gehe einfach nur darum sich zu ärgern.
Das Phänomen, dass Ärgernisse ausführlich und hingebungsvoll besprochen und analysiert werden ist vielen aus dem Alltag bekannt. Es raubt Energie und strapaziert die Nerven. Man „alteriert“ sich, so eines der Synonyme für sich ärgern. Abgeleitet vom Lateinischen „alterare“ etwa zu Übersetzen mit „sich anders machen“.
Ich und mein innerer Anteil – gemeinsam sind wir stark!
Als das „Mich“ neben das „Ich“ gestellt wurde, kehrte Ruhe ein. Der Ärger konnte und wollte ein wenig zurücktreten. Er fühlte sich auch nicht mehr als „Ärger“ und blieb dennoch in ruhiger Bereitschaft.
Es wirkte als wäre Ärger ein innerer Zwiespalt. Uneins sein mit sich selbst. In Wien kennt man den Ausdruck „z‘ wider sein“ für Menschen die gerade schlecht gelaunt oder ärgerlich sind.
Sobald die inneren Teile wieder beisammen sind löst sich der Ärger.
Eine Teilnehmerin las die Aufstellung für sich so: Wenn ich mich das nächste Mal ärgere, werde ich nachspüren, welchen inneren Anteil ich gerade nicht höre, übergehe oder verleugne.
Gefühle sind „nicht etwa Denkhindernisse sondern wertvolle und unersetzliche Träger von Information“ (zit. Fritz S. Perls). Negative Gefühle weisen uns auf nicht erfüllte Bedürfnisse hin und sind damit wie ein Navigationsgerät für den Alltag.
Hier eine kurze Gebrauchsanleitung:
Wenn Du etwas magst, genieße es! (Freude)
Wenn Du etwas nicht magst, vermeide es! (Angst)
Wenn Du etwas nicht magst und nicht vermeiden kannst, ändere es! (Ärger)
Wenn Du etwas nicht magst und nicht vermeiden oder ändern kannst, bedauere es! (Trauer)
Wenn Du etwas nicht magst und nicht vermeiden oder ändern kannst und bedauert hast,
ändere Deine Sichtweise / Glaubenssätze und akzeptiere es! (Scham/Selbstreflexion)
Also beim nächsten Mal z´wider sein, denk daran: es könnte ein wertvoller innerer Anteil von Dir sein, der sich meldet.
Lass ihn nicht zu lange anklopfen! Mach ihm die Tür auf und werde wieder ganz!
©Alexandra Schwendenwein und Harald Heinrich; Aufstellungsarbeit Wien